Dissonance

Michael Wertmüller nimmt Stellung zur Absetzung seines Werks «Zeitkugel»

Die basel sinfonietta hat nach der Uraufführung in Luzern weitere Aufführungen von Michael Wertmüllers Zeitkugel teilweise bzw. ganz abgesagt (dissonance berichtete).

Nun nimmt der Komponist zu den Vorfällen Stellung:

Das Stück Zeitkugel von Michael Wertmüller, ein Auftragswerk des Lucerne Festival mit dem Solisten Dominik Blum, wird von der Basel Sinfonietta als «über weite Strecken sehr laute Komposition» dargestellt. Deswegen weigerte sich das Ensemble, das komplette Stück bei der Biennale Bern aufzuführen, und setzte die vereinbarte Aufführung an einem Abonnenten-Konzert in Basel ab.

Dazu ist von meiner Seite zu sagen: Die Behauptung ist nicht richtig! Das Stück bleibt insgesamt in seiner Lautstärke, gespielt in Orchester-Besetzung mit Orgel unter normalen räumlichen und akustischen Bedingungen, unter der Lautstärke klassischer Orchesterwerke zum Beispiel von Bruckner oder Mahler.

Richtig ist, dass das in seiner Rhythmik, Dynamik und Zeitstruktur komplexe Werk hohe Anforderungen an Musiker wie Dirigenten stellt. Eine angemessene Motivation und Probezeit vorausgesetzt, ist das Stück eine bereichernde Herausforderung für ein Orchester. Gerade für ein Orchester wie die Basel Sinfonietta oder den Dirigenten Stefan Asbury, die jeweils bekannt für ihre Erfahrenheit in der Neuen Musik sind.

Die komplexe und streckenweise schwierige Notation des Stücks verursachte bei den Musikern der Basel Sinonietta ein ästhetisches Problem. Dies hätte der Vermittlung durch den Dirigenten bedurft, der aber offensichtlich nicht in der Lage war, die zum Teil sehr hohen Anforderungen der Partitur den Musikern zu verdeutlichen. Der falsche Eindruck einer «...klanglichen Dynamik, die sich über weite Strecken in Extremregionen bewegt..» (Zitat aus der Presseerklärung der Basel Sinfonietta) hat in diesem Vermittlungsproblem seinen Ursprung. Asbury hat die überaus vielfältige Dynamik, vor allem die häufigen Wechsel von leisen zu lauteren Stellen übersehen, das Stück wurde bei seiner Aufführung vor allem im mittleren forte gespielt. Zusätzlich hat die vom Orchester boykottierte Generalprobe – bei einer sowieso knappen Probezeit – spürbar gefehlt, um die klanglichen und dynamischen Feinheiten sowie die Einhaltung der richtigen Tempi des Stückes herauszuarbeiten.

Das Verhalten des Orchesters wie des Dirigenten zeugt von Unverständnis und Respektlosigkeit gegenüber der monatelangen Arbeit des Komponisten Michael Wertmüller und des Solisten Dominik Blum und stellt für uns beide eine grosse Enttäuschung dar. Von einem Orchester, das sich «das Unkonventionelle und Provokative» (siehe die Website der Basel Sinfonietta) auf die Fahnen geschrieben hat, hatten wir in der Tat anderes erwartet.

Michael Wertmüller
(30. September 2010)
 
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by moxi