«ICH MÖCHTE MICH AUF KEINEN FALL WIEDERHOLEN!»

Oder: Komponieren als geistige Extremsportart – René Wohlhausers Streichquartett
«carpe diem in beschleunigter Zeit»

VON THOMAS MEYER


Extreme Sprünge in vertrackter Rhythmik und hohem Tempo, mit ständig 
differenzierter Dynamik und manchmal ungewöhnlicher Spieltechnik: Wer für 
das Arditti Quartet zu arbeiten beginnt, begibt sich gleichsam ins Reich der 
unbegrenzten Möglichkeiten. Unmögliches wird prima vista erledigt, Wunder 
brauchen etwas länger – so, etwas salopp ausgedrückt, das Image dieses 
Ensembles. Schon mancher Komponist hat sich dadurch verführen lassen, und 
auch René Wohlhauser dürfte es gerade deshalb gereizt haben, ein weiteres Mal 
mit Blick auf die Ardittis zu arbeiten: «Ich versuche stets, auf die spezifischen 
Möglichkeiten der Interpreten einzugehen. Die Tatsache, da§ diese 
ausgezeichneten Musiker die spieltechnischen Möglichkeiten stark erweitert 
haben und über eine phantastische Virtuosität verfügen, traf sich mit meinem 
Interesse, Grenzbereiche zu erkunden und bewog mich dazu, ein Risiko 
einzugehen und die vier Musiker bis zum Äussersten zu fordern, um zu 
erfahren, wie sich die dadurch frei werdenden Energien in spannungsgeladenen 
Ausdruck umwandeln. Grenzerfahrungen faszinieren mich. Denn da zeigt sich 
das wahre Wesen des Menschen, jenseits der gesellschaftlichen Konventionen 
und Masken. Man muss alle Kräfte mobilisieren, um die Schwierigkeiten zu 
überwinden, und dadurch offenbart sich eine andere Qualität des Individuums, 
und somit auch der Interpretation. So lernt man sein Potential besser 
ausschöpfen. Deshalb wohl sind Extremsportarten heute auch so beliebt. In 
gewissem Sinne betrachte mein Komponieren als eine geistige 
Extremsportart.»(1)  Forschungsarbeit also auf den verschiedensten Ebenen – mit 
dem wunderbaren Instrumentarium dieses einzigartigen Streichquartetts. Der 
Komponist nahm die Gelegenheit gern wahr. «Nur dieses Vorstossen an die 
Grenzen der eigenen Möglichkeiten bringt mich weiter, denn so lerne ich 
forschend Seiten von mir kennen, die ich noch nicht kenne. Ich muss stets 
etwas Neues ausprobieren. Alles in mir sträubt sich dagegen, mich zu 
wiederholen oder gar etwas nachzuahmen, was andere schon gemacht haben. 
Ich mag nichts wiederkäuen. Darin sehe ich keinen Sinn.» 
Das ist bereits ein tiefgreifendes Credo des Komponisten, aber zunächst von 
vorne. Mancher, der René Wohlhausers Partituren kennt, wird nun vielleicht 
leicht ironisch nicken. Sehr kompliziert, sehr «schwarz» sehen diese Gebilde 
aus, rhythmisch und melodisch ungemein verzwickt, zerrissen geradezu – und 
natürlich höchst anspruchsvoll für die Interpreten. Das ist doch typisch für 
einen Schüler von Brian Ferneyhough. Tatsächlich liegt diese Vermutung nahe 
– und doch geht René Wohlhauser einen anderen Weg als sein berühmter 
Lehrer. Vielleicht schlägt darin noch ein bisschen der Einfluss des anderen 
Freiburger Lehrers – Klaus Huber – durch. «An mir hängt das Etikett des 
komplexen Komponisten.» sagt er selber, aber zur «New Complexity» eines 
Claus-Steffen Mahnkopf mag er sich dennoch nicht zählen. «Komplexität ist 
für mich immer das Resultat einer Suche nach Genauigkeit im Ausdruck und 
der Umsetzung einer Konzeption ohne billige Kompromisse, aber in keinem 
Falle Selbstzweck.» Komplexität ist auch nicht unabdingbar. Wenn er wie im 
Klavierstück Paginetta für Kinder schreibt, sieht das in der äusseren Faktur 
eigentlich recht einfach aus und es ist auch einfacher zu spielen, obwohl sich 
dahinter mehrfache Kanones verbergen. Die Konstruktion äusserst sich anders. 
«Einfache Stellen» finden sich auch im Werk carpe diem in beschleunigter Zeit 
von 1998/99 (2), und doch scheint es auf vielen Partiturseiten erst einmal dem 
Klischee der Komplexität zu entsprechen – wie manÕs eben bei einer Musik für 
das Arditti Quartet erwartet. Aber so einfach ist es nicht: Tatsächlich steht die 
Komplexität im Dienst einer Sache, eines existentiellen Ausdrucksbedürfnisses. 
Allein die vielen extrem hohen Noten zeigen, dass hier einer an eine Grenze hin 
schreibt, wo eine selbst für Neue Musik dünne Luft herrscht: «Luft von anderen 
Planeten», freilich in einem weniger ätherischen Sinn. 
Der Titel ist natürlich ironisch gemeint: Horaz für Manager. «Wie soll man den 
Tag nutzen, wenn man das Gefühl hat, die Zeit laufe einem davon?» Diese 
Lebenserfahrung verdichtet sich in der Musik. «Das Stück ist vom Titel und 
von der Konzeption her wie eine doppelte Negation, das kann nur ins Gegenteil 
umkippen. Ich hoffe, dass dies auch in der Musik spürbar wird, denn sie wurde 
nicht schnell hingeschrieben.» Sie nimmt eine Eigengestalt an. Nichts 
Biografisches ist mehr dahinter zu hören, obwohl es dafür einen Auslöser gab. 
In seiner Programmnotiz (3) schreibt René Wohlhauser: «Zwischen und während 
mehreren Spitalaufenthalten habe ich an einem Streichquartett gearbeitet, das in 
gewissem Sinne diese Situation der knapp werdenden Zeit reflektiert, so dass 
die verbleibende Zeit eine gewisse dynamische Beschleunigung erfuhr.» Wie 
sich dieses «carpe diem» in einer beschleunigten Zeit auflöst: Darüber 
reflektiert das Stück. Zuallererst findet das seinen Ausdruck auf 
spieltechnischer Ebene: Es geht um eine mehrfach ansetzende, asynchrone und 
allmähliche Beschleunigung von mehreren, sich überlagernden Zeitschichten bis 
an die Grenze des Nicht-mehr- oder – im Fall der Ardittis – Gerade-noch-
Spielbaren. In der letzten Sektion des Hauptteils spielen komplexe Figuren auf 
Tempo 150:

Hier nun gleich ein Einschub: So konstruiert diese Figuren aussehen mögen, sie 
basieren keineswegs auf Kalkül. René Wohlhauser hat zwar im Unterricht bei 
Huber und Ferneyhough eine sehr genaue Vorstellung und eine umfassende 
Ausbildung in zeitgenössischen Kompositionstechniken von Schönberg über 
Boulez bis heute erhalten, es war «eine strenge Schule». Und davon ausgehend 
hat er in der Folgezeit selber, wie er sagt, «annähernd hundert eigene 
Kompositionsverfahren» entwickelt, «also einen ganzen Ordner voll». Aber er 
betont gleichzeitig, wie wichtig es sei, bei all dem nicht zu vergessen, «dass 
Kompositionstechniken nur ein Mittel sind, um einen tieferen, essentiellen 
Gehalt in möglichst optimaler Form auszudrücken – und auf keinen Fall, dass 
diese Techniken zum rein handwerklichen Selbstzweck werden. Und mir geht 
es heute vor allem darum, an diese Substanz, an den authentischen Kern 
heranzukommen, um zu einer wesentlichen Musik zu gelangen.» In seiner 
zweiten grossen Schaffensphase, etwa vom Schlagzeugtrio von 1984/85 bis hin 
zum Orchesterwerk in statu mutandi von 1991-93 arbeitete er oft auf sehr 
konstruktive Weise. «Ich habe mich zum Beispiel in einen Lebensbereich oder 
in ein naturwissenschaftliches Gebiet vertieft und versucht, das zugrunde 
liegende Konzept in Musik umzusetzen, indem ich, wie die alten Griechen, alles 
mittels der Zahl übersetzt habe.» Das Klarinettentrio ging etwa von Zahlen im 
Telephonbuch aus, die René Wohlhauser quasi als Chiffren, als kondensierte 
Kürzel für Lebensschicksale begriff. Von Telephon- oder Zahlenmusik kann 
freilich keine Rede sein. Das Stück klingt im Gegenteil sehr sinnlich, wenn 
auch auf beklemmende Weise.
Von dieser Art Konstruktivismus, wo alle Elemente bis ins Letzte aus einem 
konzeptionellen Kern durch strenge technische Verfahren abgeleitet wurden, ist 
er später weggekommen. Die stete Suche nach neuen Möglichkeiten bewog ihn 
zur Neuorientierung. «Wenn ein Stück in seiner Art abgeschlossen ist und bis 
zur letzten Konsequenz dazu alles gesagt ist, was zu sagen war, muss das 
nächste Stück zwangsläufig an einem völlig anderen Ort ansetzen, um nicht 
wieder ins alte Fahrwasser zu geraten und kalten Kaffee aufzuwärmen. Ich kann 
gar nicht anders, als mich in ein mir unbekanntes Neuland vorzutasten und 
mich in meiner Arbeit weiterzuentwickeln. Wenn ich merken würde, dass ich 
mich beim Komponieren nur noch wiederhole und im Gleichen stehen bleibe, 
dann würde ich wahrscheinlich augenblicklich aufhören und nach etwas 
anderem suchen.» So fängt er jeweils wieder bei Null an. «Zu Beginn der 
Kompositionsarbeit bin ich wie in einen vorsprachlichen Urzustand 
zurückgeworfen, wo ich zuerst einmal den Code finden muss. Und dann 
versuche ich, aus den aktuellen Erfordernissen und aus dem gegebenen Material 
heraus die notwendigen Techniken zu entwickeln, und nicht umgekehrt. 
Material und Kompositionstechnik sollten eine Einheit formen und sich jedes 
Mal neu herausbilden. Auch wenn diese Vorgehensweise viel aufwändiger ist, 
als immer nach der gleichen bewährten Methode vorzugehen.» So suchte er 
auch diesmal etwas gänzlich Anderes, wiederum einen Nullpunkt. «Es 
widerstrebt mir zutiefst, irgendeine Kompositionstechnik einfach abzuspulen, 
nur damit ein Stück möglichst schnell fertig ist. Und schon gar nicht möchte 
ich eine globale Kompositionstechnik, wie beispielsweise gewisse serielle 
Verfahren, von aussen her dem Material überstülpen. Dagegen verspüre ich eine 
starke Aversion. Aber was setze ich als reflektierender Mensch, der in der 
Tradition der Aufklärung steht, dem entgegen?»
Vom Sextett vocis imago (1993–95) an beschritt René Wohlhauser deshalb 
einen neuen Weg. «Mein Bestreben in den letzten Werken war also vielmehr, 
einen möglichst direkten Zugang zum Unterbewussten zu finden, an den 
Ursprung der Intuition heranzukommen, alles wegzuschaufeln, was an Gittern 
und sichernden Netzen noch drunterliegt, um direkt zum Kern vorzudringen.» 
Das Mittel dafür ist die Improvisation. Das erstaunt zunächst ein wenig, aber 
dann erinnert man sich, dass René Wohlhauser ja als Jugendlicher Jazz und 
Rock gespielt hat. Diese Erfahrungen dürften ihm heute zugute kommen, 
wenngleich sich die Musik und die Methode geändert haben. Mitnichten darf 
man sich nun den Komponisten träumend am Klavier vorstellen, wie er 
gelungene Passagen sogleich aufs Notenpapier zu bannen versucht. Das 
entspräche kaum dem Gestus dieser Musik und kaum der Denkweise ihres 
Schöpfers. Der Vorgang ist etwas komplizierter. Die Schwierigkeit fange 
nämlich dort an, wo man überhaupt versuche, Improvisation in Notation 
umzusetzen. Jede Transkription verändere bereits die Musik, «so wie sich auch 
das zu untersuchende Objekt unter einem Mikroskop bekanntlich durch die 
Wärme des Mikroskops verändert», die Unmittelbarkeit gehe verloren, und so 
suchte René Wohlhauser eine «objektivierende» Instanz. Er fand sie – auch das 
mag zunächst erstaunen – im Computer. Er improvisierte vom Keyboard aus 
über ein Midi-File direkt in den Computer hinein, der ihm die Ergebnisse 
ausdruckte. Das darf man sich nun nicht «expressiv» vorstellen. Vielmehr 
versuchte sich René Wohlhauser «in der Improvisation auf ein Ziel zu 
fokussieren, damit ein Wirkungsfeld entsteht», und dabei das Ich auszuschalten 
und das Es fliessen zu lassen. Es handelt sich eigentlich um eine 
Entsubjektivierung. 
Wie bei seinen beiden ebenfalls in Basel wirkenden Kollegen Hanspeter Kyburz 
oder Detlev Müller-Siemens nutzt er also die Maschine, um zu neuen Resultaten 
zu gelangen – aber genau in umgekehrter Weise: Der Computer nimmt ihm hier 
nicht die komplexe Rechenarbeit (in algorithmischen bzw. selbst-referentiellen 
Systemen) ab, sondern verhilft ihm zu einem möglichst unmittelbaren Zugang 
zur Intuition. Damit aber hat er, wie übrigens seine beiden Kollegen auch, nur 
ein Rohmaterial zur Hand, das er weiter bearbeitet, vor allem im Bereich der 
Tonhöhen, der Dynamik und der Artikulation, weniger hingegen in der 
Rhythmik, die in der Improvisation bereits sehr interessant ausfällt. Er versucht 
nun, dieses Material in sein Konzept einfliessen zu lassen und so zu 
kombinieren, dass etwas Neues entsteht, das heisst, «daraus die adäquaten 
Techniken abzuleiten, um die stilistische Kohärenz und die formale 
Dramaturgie zu entwickeln. Man kann sich ja als Mensch nicht grundsätzlich 
verändern, um zu einer neuen Musiksprache zu gelangen, aber ich kann 
versuchen, mich in einen anderen Kontext zu stellen und zu beobachten, was 
dann passiert, bzw. wie ich auf die ungewohnte Situation reagiere. Das 
versuchte ich mit diesem Rohmaterial. Und gerade, weil ich in diesem Prozess 
Elemente zusammenbringe, die nicht a priori zusammenpassen, erwächst aus 
diesem Konflikt eine starke Spannung.»
Und damit zurück zu carpe diem in beschleunigter Zeit. Dieses «improvisierte» 
Material betrifft das Klangmaterial im Hauptteil. René Wohlhauser versuchte 
gleichsam eine Violinstimme zu improvisieren, (abgesehen von Doppelgriffen) 
einstimmig und sehr instrumentenspezifisch. Er habe sich quasi  Irvine Arditti 
vorgestellt und ebenso die anderen Musiker, denn er komponiere gern für 
bestimmte Interpreten. Im Hauptteil fängt jeder Quartettspieler mit «seinem» 
Material an, später werden die Materialien vertauscht und entsprechend dem 
Instrument verändert. So ergibt sich Kohärenz zwischen den Stimmen: eine Art 
Kanon, der bruchlos durchlaufen könnte, fast schematisch.  
Aber gerade das Schematische will René Wohlhauser auch hier vermeiden, 
denn zu diesem Kanon könnte man sich ja nun in der Beschleunigung des 
Tempos eine Art Bolero der Geschwindigkeit denken, aber das wäre – um 
Ravel zu paraphrasieren – nicht nur keine Musik, sondern schlicht zu simpel. 
So wird diese Steigerung in mehrfacher Weise durch gegenläufige Tendenzen 
gebrochen. Die Wichtigste  ist: Der Beschleunigungsprozess wird durch 
«Einschübe» gestört, wobei sich gleichzeitig aber – Dialektik des Aufbrechens 
– in diesen Einschüben die Gesamtkonzeption wie von einer anderen Seite her 
nochmals gebrochen spiegelt. Im dritten Einschub etwa wird polyrhythmisch 
verdichtet, was sich im Ganzen entfaltet: die zunächst raschen unteren beiden 
Stimmen ritardieren, während die beiden oberen sich beschleunigen, und dazu 
weitet sich ständig der Ambitus aus, so dass ein gegenläufiger Aspekt 
hinkommt.  Auch hier geht es darum, nicht allzu simple 
Hörerwartungen zu bestätigen. «Ein anvisiertes Ziel kann, wenn es musikalisch 
interessant bleiben will, nicht auf direktem Weg, sondern nur über zu 
bewältigende Hindernisse erreicht werden.» Spätestens, wenn der Hörer die 
Richtung erahne, sei es Zeit, etwas Anderes einzubringen: Nichts Willkürliches, 
sondern etwas, das die gleiche Sache von einem anderen Standpunkt aus (und 
auf ironische Weise vielleicht) spiegelt. «So kann man versuchen, die Wahrheit 
noch von einer anderen Seite her zu reflektieren, um so zu einem 
umfassenderen Verständnis des Ganzen zu gelangen.» Es handelt sich gleichsam 
um einen Prozess musikalischen Argumentierens – mit ständiger 
Differenzierung auch. So klingt das Stück stellenweise sehr laut, «aber in sich 
in vielfältiger Weise abgestuft», wie René Wohlhauser gleich anfügt. Es gibt 
eine globale Dynamik und dazu Subdynamiken, ebenso ein globales Tempo und 
dazu Subtempi. Die Flächigkeit wird strukturiert, um eine Tiefendimension zu 
erreichen.
Am Schluss erst wird das Material viel homogener klingen. Nach dem 
Höhepunkt der Beschleunigung scheint auch die Varietät gleichsam erschöpft. 
Das Konzept hat sich erfüllt. Die dreiteilige Coda nimmt zwar auf den Anfang 
Bezug, klingt aber nach den dazwischen liegenden Erfahrungen anders. Es 
kommt nochmals zur Beschleunigung – aber viel einfacher als zuvor, quasi 
ermattet – oder verklärt. Am Schluss blendet das Stück im Pianissimo aus, das 
Quartett zerfällt gleichsam. Warum wollte René Wohlhauser 
nicht auf dem Höhepunkt aufhören? «Weil das jedermann erwartet. Das 
entspräche genau dem Klischee. Im Gegensatz zu kommerziell ausgerichteter 
Musik, wo das Bekannte wiederholt und bestätigt wird, ist es meines Erachtens 
die Aufgabe von anspruchsvoller Kunst, den Erwartungshaltungen des 
Publikums nur teilweise entgegenzukommen (sozusagen um einen 
Anknüpfungspunkt zu finden), um dann aber etwas Unerwartetes mit hinein zu 
schmuggeln, das Fragen aufwirft und uns weiterführt. Das tue ich 
beispielsweise, indem ich das Ganze noch von einer andern Seite her spiegle 
und dadurch den Blickwinkel für anderes öffne, weil ich durch den Spiegel 
auch das sehe, was hinter mir passiert.» 
Diese Kanten, diese ständigen Kehrtwendungen machen es dem Hörer nicht 
einfach, sie widersprechen einem stromlinienförmigen Komponieren, aber auch 
jener Konsolidierung, die René Wohlhauser seit einigen Jahren in der Neuen 
Musik feststellt. Er mag da nicht mitmachen. Er will Individuelles entwickeln 
und Neues ausprobieren und sich nicht einfach als Komponist präsentieren, «der 
weiss, wie Neue Musik geht.» Es sei ja auch eine Voraussetzung für schnelles 
Komponieren, wenn eine Vorordnung des Materials vorhanden sei. «Mozart 
hätte auch nicht so schnell komponieren können, wenn er mit jedem Stück von 
Null auf ein neues strukturelles System hätte entwickeln müssen.» Auch da 
lautet seine Devise: Nichts wiederkäuen und nicht den billigsten Weg gehen.
Zurück zu carpe diem in beschleunigter Zeit. Jedes Schema wird also 
aufgebrochen. Zwischen dem dreiteiligen Vorspiel, den drei Einschüben und 
der ebenfalls dreiteiligen Coda sind denn auch keine schematischen, 
akademischen Beziehungen festzustellen, sie wirken vielmehr untergründig. Die 
schnellen Glissandi des Anfangs antizipieren gleichsam die späteren langsamen 
auf ironische Weise.
Ja, diese Ironisierung, auf die René Wohlhauser immer wieder mal im 
Zusammenhang mit der Beschleunigung zu sprechen kommt: Was hat es damit 
auf sich? Ist Ironie nicht ungemein schwer umzusetzen, – so jedenfalls, dass sie 
sich auch einem Publikum mitteilt? Wichtig ist dabei, dass der Gesamtablauf so 
einfach ist, dass deutlich wird, wenn die Verspiegelung einsetzt. «Man muss 
etwas zuerst klar etablieren, bevor es gebrochen werden kann.» Von da aus 
gehtÕs weiter. «Ich kann nicht auf der Oberfläche sitzen bleiben, sondern ich 
habe das Bedürfnis, in die Tiefe vorzudringen.» Auch deshalb treibt die Musik 
oft in extreme Bereiche. «Es ist mein Bestreben, eine existentielle Musik zu 
schreiben, mit meinen Mitteln Zustände des menschlichen Seins auszudrücken, 
aber auch mit einem Augenzwinkern mich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. 
Selbstironie kann hierbei vor Überheblichkeit bewahren. Ich mag die bierernst 
dräuende Schwere nicht.» Ironie ist etwas enorm Heikles in der Musik. Daran 
sind schon viele gescheitert. «Ob es funktioniert, kann man im voraus 
schwerlich wissen, denn Kategorien wie Ironie, Sarkasmus, Humor etc. 
beziehen sich stets auf einen bestimmten sozio-kulturellen Hintergrund, und das 
Publikum ist heutzutage sehr heterogen zusammengesetzt. Zudem möchte ich 
auch nicht auf aussermusikalische Konventionen rekurrieren, sondern eine Art 
musikalische Sprache entwickeln, die die Hörer emotional berührt und 
intellektuell fesselt. Auf diesem Hintergrund kann ich dann versuchen, die 
Musik selbst, und das was sie bewirkt, zu reflektieren und zu ironisieren. 
Dadurch entsteht womöglich ein hintergründiger Humor, der aber nicht auf den 
billigen Lacheffekt abzielt, sondern um Vergänglichkeit und Memento mori 
weiss und unser Dasein in philosophischem Sinne erträglich macht.» Es ist also 
eine systemimmanente Ironie und in keiner Weise ein musikalisches Theater. 
Nun: «ein Theater der inneren Vorstellung vielleicht», fügt René Wohlhauser 
hinzu. Er hoffe, dass das Stück einen starken, direkten Ausdruck 
herüberzubringen vermöge und niemanden kalt lasse, was sie nur könne, wenn 
sie authentisch sei und andererseits ein gewisses Niveau und eine Tiefe habe. 
«Das schlimmste für mich wäre, wenn alles stillschweigend hingenommen 
würde und man nach einem Jahr intensiver Arbeit und gedanklicher 
Auseinandersetzung, nach dem Ringen um Qualität und um einen 
eigenständigen Ausdruck keine Reaktion darauf erhält, wenn also falsch 
verstandene Toleranz in Gleichgültigkeit umschlägt.»



(1) Alle nicht weiter bezeichneten Zitate stammen aus einem Interview, das ich am 3. November 2001 mit René 
Wohlhauser in Basel führte.
(2) Die Uraufführung des Werks fand am 20. November 2001 während des Europäischen Musikmonats in Basel statt. Es spielte das Arditti Quartet. (3) Partitur des Stücks; Edition Wohlhauser, Selbstverlag; im Vertrieb bei ADESSO.
Werkverzeichnis René Wohlhauser: http://www.musicedition.ch/composers/58d.htm